Grundlagen

Pulsierende Mega-Stadt im Marmeladenglas

By on 7. August 2017

Hast du je die Komplexitität riesiger Städte bewundert – die unfassbare Fülle an Leben, das verzweigte Netzwerk aus Alleen und Straßen, die Vielfalt an Häusern und Kiezen?

Löst man eine Pilzkolonie in seine komplexen Details auf, Mikroskop sei dank, kann das eine ebenso erstaunte Faszination in einem hinterlassen, wie wenn man über eine Mega-Stadt wie Tokyo sinniert. Nimm zum Beispiel diese Kolonie, die ich neulich in meinem Marmeladenglas gefunden habe:

Kommt dir das bekannt vor? Ich sehe förmlich wie deine Nase sich zu rümpfen beginnt, aber ich versichere dir dieses Bild tut nichts!

Wenn das deine Marmelade wäre – würdest du nur einen winzigen Augenblick zögern, um einen verstohlenen Blick auf den Schimmel zu werfen (und die erstaunenten Fragen sich manifestieren zu lassen) bevor Ekel dich nötigt das Glas zu entsorgen? Sehen wir es uns doch in einer sicheren Umgebung an!

Wenn man jeden Tag mit solchen Pilzen arbeitet; sie anzieht, auswertet und erntet (Möchtest du wissen, wie das geht? Hinterlasse einen Kommentar!), vergisst man leicht, dass jemand anderem vielleicht gar nicht bewusst ist, dass er/sie auf einen Pilz guckt. Nur um das klarzustellen: auch wenn Pilze einiges mit Pflanzen und Bakterien gemeinsam haben, sind sie keines von beidem (es versteht sich von selbst, dass sie auch keine Tiere sind)! Sie bilden ihr eigenes Königreich. Also, nein Pilze sind kein Gemüse!

Wie sehr sie sich von Pflanzen und Bakterien unterscheiden wird klar, wenn man eine Pilzkolonie heranzoomt und die einzelnen Komponenten näher betrachtet.

Kundschaften, netzwerken und aufwachsen – die Pilzkolonie

Alles beginnt mit einer einzigen Spore, die Ruhezelle des Pilzes. Sie kann für lange Zeit in der Luft überleben bis sie sich schließlich auf einer nahrhaften Oberfläche niederlässt. Die Spore erwacht und fährt ihren Metabolismus hoch wie einen Computer. Sie schwillt erst an und keimt dann aus; sie erzeugt eine junge Hyphe. Andere Sporen in ihrer Umgebung machen es ihr nach und schon bald schlängeln sich mehrere Hyphen über die Oberfläche.

Rechtes Bild: reproduced/adapted with permission from http://www.biologists.com/journal-of-cell-science; Lichius et al., 2014, CDC-42 and RAC-1 regulate opposite chemotropisms in Neurospora crassa, DOI: 10.1242/jcs.141630

Werfen wir einen Blick auf die Infrastruktur, die sich nun langsam herausbildet, während das Netzwerk der Hyphen (die das Myzel darstellen) expandiert. Diese Strukturen kann man im Detail nur mit einem Mikroskop erkennen.

Die folgenden Strukturen sind beispielhaft für unseren Kumpel Aspergillus nidulans (Wer oder was ist eigentlich Aspergillus?) und können so oder so ähnlich auch in anderen Pilzen auftreten.

  • Gewöhnliche Hyphen – diese ersten Schichten des Myzels wachsen für gewöhnlich von der Mitte nach außen oder graben sich in den “Boden” (ähnlich wie Wurzeln) – sie erforschen das Territorium, um herauszufinden welche Art und wieviel Nahrung vorhanden ist.
  • Lufthyphen – nach einer gewissen Zeil beginnen die Hyphen Richtung Himmel zu wachsen. Soweit ich das sagen kann, haben diese Hyphen zwei Hauptfunktionen: sie beschützen die eigentliche Kolonie und sie sorgen dafür, dass die späteren Sporen effizient verteilt werden. Diese Hyphen sind manchmal mehr oder weniger ausgeprägt, das weiße flauschige Zeug auf deiner Marmelade.
  • Sporen (asexuell) – hauptsächlich, aber nicht nur, von den Lufthyphen bilden sich einige Abzweigungen, die dann zu Blasen-ähnliche Vesikeln anschwellen. Diese Vesikel wiederum bringen Strukturen hervor (Wenn du die Namen wissen möchtest, bist du, wirst du oder solltest du Wissenschaftler werden), die dann lange Ketten von Sporen produzieren. Die ersten dieser Sporen sind noch weiß; je älter die Sporen werden desto dunkler und satter wird das Grün. Das heißt, anhand der Farbe des Pilzes im Marmeladenglas, kannst du abschätzen, wie lange es her ist, seit du das letzte Mal hineingeschaut hast. Die grüne Farbe kommt also von den reifen asexuellen Sporen. Ein Sporenträger kann bis zu … einzelne Sporen hervorbringen.

  • Der Fruchtkörper und umgebendes Gewebe (Eigenart von Aspergillus) – während die normalen Hyphen sich ins unbekannte Land ausbreiten, können Informationen im Zentrum der Kolonie eintreffen, dass Nährstoffe langsam knapp werden. Dies ist ein Signal für den Pilz, den sexuellen Zyklus einzuleiten und eine andere Art Sporen zu entwickeln. Aspergillus muss viel mehr Zeit und Energie in diese Sporen investieren, aber sie können sich als vorteilhaft erweisen, wenn es ungemütlich wird. Das liegt daran, dass die sexuellen Sporen nicht einfach nur Klone sind – sie haben einen unterschiedlichen genetischen Fingerabdruck, sie sind Geschwister aber keine Zwillinge. Der Fruchtkörper, der wie eine Kugel aus Pilzgewebe ist, umhüllt und schützt die sich entwickelnden sexuellen Sporen. In Aspergillus nidulans umschließt eine weitere Schicht aus spezialisierten Zellen den Fruchtkörper – das sind die schimmernden Hülle Zellen, die wahrscheinlich sowohl der Nahrungsversorgung als auch dem Schutz dienen.

Nicht alle Pilze scheinen einen sexuellen Zyklus zu haben, der sich hauptsächlich durch einen Fruchtkörper auszeichnet. Und ja, es stimmt, solltest du nun zu der Schlussfolgerung gekommen sein, dass die Pilze, die man im Wald sammeln kann ebenfalls Fruchtkörper sind nur eben etwas größer. Diese tragen übrigens auch Sporen, allerdings sind sie recht versteckt. Aber frage mich lieber nichts dazu, denn diese riesigen Fruchtkörper (man braucht ja noch nicht einmal eine Brille, um sie zu sehen) sind nicht mein Metier!

Und nur, dass du es weißt – ich würde nicht eine Messerspitze dieser lebendigen Marmelade mehr essen! Und ich hoffe du auch nicht. Denn das nächste Mal, wenn du selbst eine Schimmelkolonie entdeckst, wirst du dich daran erinnern, wie weit das Myzel bereits unter die Oberfläche vorgedrungen ist.

 

Möchtest du mehr darüber erfahren, wie so eine Pilzkolonie als einheitlicher Organismus arbeitet? Erwarte mit Spannung meinen nächsten Post zu diesem Thema!

 

Title photo by Lukas (originally posted to Flickr as [1]) [CC BY 2.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/2.0)], via Wikimedia Commons

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